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Igor Arendt

Aug 11, 2021 | Über die Schulter geschaut

Der Talentschmied

NÜRNBERG – Wenn man sich über den Golf-Nachwuchs informieren möchte, ist Igor Arendt ein guter Gesprächspartner. Seit 1998 ist der 54-Jährige als Landestrainer für den Bayerischen Golfverband tätig und dafür verantwortlich, dass der Nachwuchs des Bundeslandes wieder regelmäßig mit von der Partie ist, wenn nationale Preisträger gekürt werden.

Autor: Stefan Jablonka

Als Leiter der Kaderförderung kümmert sich Arendt auch in Nürnberg an der Bertolt-Brecht-Schule, einer sogenannten Eliteschule des Sports, um drei hoffnungsvolle Nachwuchsspieler/innen: Sofia Radberger (17, München), Linus Lang (19, Landsberg am Lech) und Korbinian Walther (17, Neumarkt). Das Trio ist dort im Haus der Athleten, einem Internat für Spitzensportler, einquartiert. Neben Golfern sind dort auch Fußballer, Badminton-Spieler, Leichtathleten, Radfahrer, Ringer, Schwimmer, Triathleten oder Taekwondo-Kämpfer untergebracht. Der berühmteste Absolvent ist zweifelsohne Ilkay Gündogan. Der Profi-Fußballer baute an der BBS sein Abitur, während ihm beim 1. FC Nürnberg der Durchbruch als Profi-Fußballer gelang. Aktuell steht der 30-jährige DFB-Nationalspieler beim englischen Top-Klub Manchester City unter Vertrag.

Im Vergleich zu ihren weniger sportlichen Altersgenossen bleibt den Top-Talenten ein Jahr mehr Zeit, um das Abitur abzulegen. Durch diese Schulzeitstreckung von zwei auf drei Jahre und im Schnitt gerade einmal 20 Schulstunden pro Woche ist ausreichend Zeit fürs Üben – oder wie Arendt es formuliert: „Sich hier zu erproben, ob sie ausreichend Eigenmotivation haben, um drei Jahre lang ,all in‘ zu gehen.“

Zwei Trainingseinheiten mit Arendt sowie zwei mit einem Fitnesstrainer absolviert der Golfnachwuchs an der BBS wöchentlich. Doch damit sind den Ambitionen keine Grenzen gesetzt. Auf der Golfrange in Nürnberg stehen Range und Übungsgrün uneingeschränkt zur Verfügung. Auch den Schlüssel zur Trainingshalle an der BBS, wo jederzeit am Abschlag oder Put gearbeitet werden kann, müsste niemand erst suchen. „Sie können quasi rund um die Uhr trainieren“, sagt Arendt. Nur auffordern dazu will er seine Schüler nicht. Es soll keiner geschubst werden. Der in Kulmbach ansässige gebürtige Berliner setzt auf „intrinsische Motivation“. Die Erkenntnis, ob es einem das wert ist, für seinen großen Traum auch großen Einsatz zu bringen, soll reifen. Erst dann wird aus reiner Pflichterfüllung eine Herzensangelegenheit.

Arendt selbst wurde als kleiner Junge auch nicht geschubst. Er wurde sogar gebremst. Von seinen Eltern. „Lern erst einmal was Gscheits. Golf spielen kannst du dann immer noch“, riet ihm sein Vater Günther. Und das, obwohl er Gründungsmitglied seines Heimatclubs GC Oberfranken war und das Talent seines Sohnes früh erkannte: Mit 13 Jahren stach Igor Arendt mit Handicap 5 hervor. Den harten Weg zum Profi verfolgte er aber dennoch nicht weiter: „Dazu muss die Liebe zum Spiel unendlich groß sein, und vor allem aber die Bereitschaft, viele Entbehrungen und Mühsal auf sich zu nehmen. Vielleicht war die Bereitschaft bei mir nicht ganz so ausgeprägt.“

Dafür begleitet er seit langem als leidenschaftlicher Trainer mit viel Besonnenheit den bayerischen Golf-Nachwuchs. „Es geht bei den jungen Leuten nicht darum, zu wissen, wie gut bin ich jetzt. Die Frage lautet: Wie gut kann ich werden, und habe ich Lust, das herauszufinden?“ Die wenigsten haben wirklich den Willen, alles aus sich herauszukitzeln und stetig über sich hinauszuwachsen. Arendt hat kein Problem damit, wenn sich einer seiner Schüler den herausfordernden Weg zum Profi letztlich nicht zutraut, Golf nur noch als Hobby spielen mag und ein anderen Berufswunsch verfolgt. „Es waren schon etliche da, die erkannt haben, dass es nicht das ist, was sie machen wollen. Da ist von uns keiner sauer. Eher im Gegenteil: Da bin ich richtig happy, dass die keinen Weg einschlagen und nach fünf Jahren merken, dass es ein Fehler war. Denn was eines Tages dabei herauskommt, kann keiner vorhersagen.“

Zu seinen ehemaligen Schülern, die sich nicht beirren haben lassen und ihre Entscheidung auch nicht bereuen mussten, zählt Bernd Ritthammer. Den gebürtigen Nürnberger, der seinen Weg machte, ohne auf das duale System der Bertolt-Brecht-Schule zu setzen, hatte Arendt als Elfjährigen unter seine Fittiche genommen. „Wir haben auch heute noch ein Trainer-Spieler-Verhältnis“, erzählt er. Ritthammer ist seit einigen Jahren auf der European Tour als Profi unterwegs. Dort feierte er 2019 als Zweitplatzierter bei den Porsche European Open seine beste Platzierung. Der Nächste, der mit größter Hingabe und voller Überzeugung den Sprung wagen will, ist Matti Schmid. Die neue deutsche Golf-Hoffnung war Internatsschüler im Haus des Sports an der BBS. Schmid denkt gerne an die Zeit mit Arendt, „ein Golf-Nerd wie ich“, zurück.

Für Sarina Schmidt (Ladies European Tour) war die Bertolt-Brecht-Schule ebenfalls das ideale Sprungbrett in den Profi-Bereich. Nina Lang, ehemalige deutsche Meisterin der Altersklasse bis 18 Jahre, spielt aktuell in den USA an einem College. Dorthin könnte auch der Weg von Linus Lang führen. Der 19-Jährige macht im Sommer sein Abitur an der Bertolt-Brecht-Schule und hat mit einem neuen Platzrekord bei den deutschen Herrenmeisterschaften im vergangenen Jahr bereits auf sich aufmerksam gemacht. Das nötige Potenzial bescheinigt ihm Arendt. Auch wenn die Tendenz stimmt und die Europa-Tour das reizvolle Ziel ist: Auf die Frage, ob Linus Lang wirklich Profi werden will, muss er noch eine endgültige Antwort finden. Arendt wird sie akzeptieren. Egal, wie sie ausfällt.