Hereinspaziert
NÜRNBERG – Fast ein dreiviertel Jahr war das Clubhouse-Team auf der Suche nach dem passenden Inventar. Es durchstöberte das Internet, besuchte Hotelauflösungen und setzte schließlich mit viel Liebe zum Detail ein Möbel-Puzzle zusammen. Die Vitrine für die Bar wurde in Magdeburg erstanden. Die Eingangstüre hing ursprünglich in Norddeutschland in der Angel, und die Chesterfield Couch, in der die Gäste am liebsten Platz nehmen, wurde in Bochum abgelöst. Fotos mit nostalgischer Note zieren die weißen Wände und lassen vergessen, dass das Clubhouse in einer ehemaligen Fabrikhalle ihr Zuhause gefunden hat. Von außen nicht zu erwarten, findet man sich nach dem Betreten der Indoorgolf-Anlage im Wohnzimmer eines englischen Landhauses wieder.
Bei der Konzeption und der detaillierten Umsetzung war Dieter Zech aus dem in Nürnberg als Institution bekannten „Freudenpark“ maßgeblich beteiligt. Zusammen mit dem Clubhouse-Team um Thomas Wolkersdorfer entstand aus vielen guten Ideen dann vor einigen Jahren in der Sigmundstraße 147 das Golf-Wohnzimmer. 2013 hat das Clubhouse eröffnet und sich zu einem sehr beliebten Treffpunkt für Golf-Fans etabliert, wenn die kalte Jahreszeit anbricht. Und dennoch: „Obwohl unser Bekanntheitsgrad sehr hoch ist, waren viele noch nicht da, weil sie sich einfach die Atmosphäre nicht vorstellen können“, erzählt der 53-Jährige. Dort, wo früher im Zinkdruckgussverfahren hergestellte Maßstabsmodelle von Baumaschinen lackiert wurden, überwintern nicht nur passionierte Hobby- Golfer. Ganze Mannschaften verabreden sich in Nürnbergs Industriegebiet, um ihre Form so gut es geht über den Jahreswechsel zu retten, bis die Grashalme wieder sprießen. Zehn Pros geben auf der Anlage nach Terminvereinbarung Unterricht.
Als der Betrieb vor sieben Jahren losging, standen auf der Anlage lediglich zwei einfache Mattenabschläge. Verirrte Bälle flogen in an den Seitenwänden verankerte Netze. Die simplen Konstruktionen wurden in mühevoller Handarbeit überwiegend durch weitaus unscheinbarere Wandverkleidungen ersetzt. Inzwischen gibt es sieben Abschläge, die mit neuerster Technik ausgestattet sind. Hinter jeder Matte misst ein Trackman den Ballflug und die Schlägerkopfbewegung. An zwei dieser sieben Séparées überwachen zusätzlich Kameras den Schwung. Die von vorne und der Seite aufgenommenen Bilder werden auf eine Videoleinwand übertragen und führen einem dort die Fehler im XXL-Format schonungslos vor die Augen.
90 Prozent der Kundschaft, schätzt Wolkersdorfer, verabredet sich im Clubhouse aus reinem Spaß am Spiel. Sie legen weniger Wert auf die Analysetechnik des Trackman, sie nutzen seine Vorzüge vor allem als Simulator. 120 Golfplätze liegen in digitalisierter Form vor. Die Spielbahnen werden an die Leinwand projiziert, die Kulisse wandert mit jedem Schlag mit, bis der Ball im Loch versenkt ist. Das gelingt automatisch, wenn der Ball das Grün erreicht hat und dann je nach Abstand zum Loch ein oder zwei Schläge zum Score addiert werden ‒ oder der Ball wird mit dem Putter gezielt dort untergebracht. Ein besonders aktiver Dauergast schafft 18 Loch in einer dreiviertel Stunde. Zu zweit benötigt man in der Regel für eine Runde in etwa zwei Stunden.
Hinter jedem dieser Doppelabschläge entwickelt eine kleine Sitzlounge ihre Anziehungskraft. Ohne anschließendem Einkehrschwung verlässt kaum einer das Clubhouse, erzählt Wolkersdorfer. Bei einem zapffrischen Guinness lässt sich in den tiefen Chesterfield-Sesseln noch lange über das Spiel philosophieren. Auf der Speisekarte finden sich Burger genauso wie Steakvariationen und vegetarische Sandwiches. Manchmal zieht es auch Zuschauer ins Clubhouse. Dann, wenn dort die berühmtesten Golfturniere der Welt live übertragen werden. Auch für die Partien des 1. FC Nürnberg findet sich regelmäßig Publikum in der Sigmundstraße ein. Ein kleines Putting Green, ein Snooker-Tisch und eine Dart-Ecke komplettieren das Angebot.
Bis die Nachfrage das Platzangebot überstieg, hat es ein paar Jahre gedauert, blickt Wolkersdorfer zurück. Seit 2017 ist es eine gute Idee, Termine online oder telefonisch rechtzeitig zu buchen. Zwischen Dezember und Februar ist der Parkplatz vor allem an den Wochenenden meist voll und die Startzeiten sind oft ausgebucht. Je nach Tageszeit kostet eine Stunde 35 bzw. 40 Euro pro Box (bis zu sechs Personen). Geld, lässt der Clubhouse-Manager aber durchblicken, wird trotzdem keines verdient.
Die Investitionen vor allem in die Technik und die jährlichen Lizenzgebühren, die für einen Trackman anfallen, seien dafür einfach zu hoch. Die golfaffine Familie Ludwig, der das Gelände gehört, leistete sich die Indoor-Golfanlage in den ersten Jahren sozusagen aus Liebhaberei. Inzwischen trägt sich das mittelfränkische Winter-Golf- Mekka nahezu von alleine – wenn nicht gerade das Coronavirus dazwischenfunkt.
Leihschläger sind vorhanden, die meisten bringen ihr eigenes Bag jedoch mit. „Es ist ja auch wie richtiges Golfen und das macht mit der eigenen Ausrüstung dann doch am meisten Spaß“, sagt Wolkersdorfer (Handicap 4). Er selbst hat seine Schläger immer in einem Nebenraum griffbereit. „Man bleibt im Rhythmus.“ Den Winter nutzt er, um an seiner Technik zu arbeiten. Vor allem bei der Längenkontrolle lassen sich schnell Erfolge erzielen. Den Ball, ohne ein reales Ziel visualisieren zu müssen und ihn dann exakt 40, 60 oder 80 Meter weit auf das Green zu schlagen, bringt einen in seinem Spiel weiter. Für das lange Spiel ist dann wieder im Freien der richtige Zeitpunkt: „Im Sommer muss der Ball fliegen“, lacht der 53-Jährige. Und im Winter lässt sich im Nürnberger Westen eine gute Basis dafür legen. „Wer einmal seinen Fuß in das Clubhouse gesetzt hat, kommt wieder“, sagt Wolkersdorfer, der manchmal Gäste aus Schweinfurt, Regensburg und sogar Frankfurt durch seine Tür kommen sieht.