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Interview mit Sportmediziner Matthias Brem

Aug 13, 2021 | AKTUELLES

„Man kann jederzeit wieder anfangen”

NÜRNBERG – Dr. Matthias Brem hat es sehr häufig mit Profis zu tun. Doch auch Hobby-Sportler kommen gerne zu ihm in die Praxis nach Langwasser. Von ihnen sind manche in den langen Lockdown-Phasen zu wahren Couch-Kartoffeln mutiert. Diagnose: Erschlaffte Muskeln, kaum Kondition, akute Degeneration. Dafür hat der ehemalige Leichtathlet einerseits durchaus Verständnis. Andererseits hat er auch einen gut gemeinten Rat für alle Ausgebremsten parat: „Man kann ja jederzeit wieder mit dem Training anfangen.“

Autor: Stefan Jablonka

Die harten Lockdowns haben den Freizeitsportlern monatelange Zwangspausen beschert. Was passiert in so einer Phase mit dem Körper, wenn ihm kaum noch Leistung abgenötigt wird?

MATTHIAS BREM: Wenn man fast keinen Sport macht, dann baut die Muskulatur ab, die Gelenke bewegen sich nicht mehr so frei, der Rumpf ist weniger stabil. Die Folgen sind: Weniger sportliche Performance und ein erhöhtes Verletzungs- und Überlastungsrisiko für Sehnen, Gelenke und Bandapparate, vor allem wenn man zu plötzlich wieder anfängt.

Gibt es eine kritische Zeitspanne, ab der es besonders schwer wird, den Muskelabbau wieder aufzuholen?

M. BREM: Eine kritische Zeitspanne in dem Sinn gibt es nicht. Am Anfang verliert man nicht ganz so viel. Je länger es jedoch dauert, umso größer fällt der Muskelabbau aus.

Matthias Brem

Matthias Brem ist niedergelassener Sportmediziner und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Seit 14 Jahren fungiert er als Mannschaftsarzt des 1. FC Nürnberg; 2012 übernahm er auch beim Nürnberger Basketball Club (NBC) die Verantwortung im medizinischen Bereich. Vor seiner beruflichen Karriere war der 44-jährige gebürtige Bamberger selbst Leistungssportler in der Leichtathletik. Disziplin: Langsprint.

Aber nach einem halben Jahr verwandelt sich selbst ein ausgeprägter Trizeps ohne Training in „Winkfleisch“ und man kann als ambitionierter Sportler wieder von ganz vorne anfangen?

M. BREM: Von ganz vorne nie. Denn man behält eine gewisse Grundmuskulatur. Weil man sich ja trotzdem immer auch bewegt. Im Leistungssport ist es was anderes. Da ist man dann natürlich schon weit von seiner Spitzenbelastung entfernt.

Was sollte der Golfer nach dieser langen Zwangspause also unbedingt vermeiden – oder anders gefragt: was sollte man beachten?

M. BREM: Was sollte man tun, oder anders gesagt: was hätte man in dieser langen Phase schon tun sollen! Es wäre ja trotzdem möglich gewesen, seinen Rumpf mit entsprechenden Übungen auch zu Hause zu trainieren. Stichwort Core Stability oder Core Performance. Damit hätte man gut die Bauch-, Rücken- und Beckenmuskulatur – oder die Oberschenkelmuskulatur, die beim Golf auch eine große Rolle spielt – stärken können.

So hätte es vermutlich der Vorzeige-Golfer gemacht. Manche hat aber vielleicht der innere Schweinehund davon abgehalten, so vorbildlich zu sein …

M. BREM: Dann ist es auch jetzt noch nicht zu spät. Man kann ja jederzeit mit dem Training wieder anfangen. Zehn bis 15 Minuten am Tag reichen völlig aus.

Einfach den Golfschläger in die Hand zu nehmen und ein paar Schläge auf der Driving Range zu machen, wäre also nicht der ideale Einstieg?

M. BREM: Ich denke, diese Herangehensweise wird man nicht völlig vermeiden können. Aber dann bitte nicht gleich stundenlang loslegen, sondern wirklich nur ein bisschen und langsam einschwingen.

Wie lange benötigt der Körper ungefähr dafür, diesen Rückstand wieder aufzuholen und in etwa wieder in der Form der Vorsaison zu sein?

M. BREM: Laut Faustregel benötigt man ungefähr dieselbe Zeit, um wieder auf dem gleichen Niveau zu sein. Bei vier Monaten Pause ist man also nach ungefähr vier Monaten wieder in seiner alten Verfassung. Aber das gilt nur, wenn man wirklich gar nichts gemacht hat.

Wenn ich meinem Körper also heute noch etwas Gutes tun will …

M. BREM: Am wichtigsten ist es, einen stabilen Rumpf zu haben. Das erreiche ich, indem meine Rücken-, Becken- und Bauchmuskulatur – auch die schräge – und der Übergang runter zum Oberschenkel stabil ist. Dann hat man in der Rotation auch keine Fehlbelastung.

Dazu muss man dann sicher ins Fitnessstudio, oder?

M. BREM: Nein. Man kann das alles auch mit dem eigenen Körpergewicht machen. Angefangen mit so einfachen Geschichten wie Sit-ups oder Liegestützen. Damit bekommt man schon eine grobe Stabilisierung hin.

Woher weiß ich denn, welche Übungen sich für so ein Rumpftraining am besten eignen?

M. BREM: Zum einen bieten ja viele Pros an, diese Übungen ins Training mit einzubauen. Zum anderen gibt es empfehlenswerte Bücher wie das Trainingsbuch von Mark Verstegen (Core Performance). Und zu guter Letzt gibt es auch massenweise YouTube-Videos von berühmten Sportlern, die genau solche Übungen vormachen. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob ich Breiten- oder Spitzensportler bin.

So lange man im Zorn nicht gerade ein Eisen über dem Oberschenkel verbiegt, ist Golf ja eher ein kontaktloser und ungefährlicher Sport. Ist Golf denn prinzipiell auch eine gesunde Sportart aus medizinischer Sicht?

M. BREM: Es ist in jedem Fall schon mal eine Sportart, die man bis ins hohe Alter ausüben kann. Ich habe auch viele Patienten, die beidseits eine Hüftprothese haben und weiter Golf spielen.

Sie betreuen als Mannschaftsarzt die Fußballer des 1. FC Nürnberg. Für manche von ihnen ist Golf sicher der willkommene Ausgleichssport …

M. BREM: Ja, es spielen schon einige Golf. Vor allem für den Kopf bedeutet der Sport ja auch Entspannung.

Sie empfehlen den Spielern also auch mal, zum Golfschläger zu greifen?

M. BREM: Ja, in jedem Fall. Auch den Basketballern rate ich es.