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Champagner verbindet die Menschen

Dec 18, 2025 | AKTUELLES

Nicola Neumann ist Expertin für feine Perlage und unabhängige Winzer

Die gebürtige Nürnbergerin Nicola Neumann ist eine bekannte Champagner-Expertin. Im Interview erzählt sie, wie der kostbare Schaumwein ihr Leben bereichert und warum man ihn lieber trinken, statt im Keller liegen lassen sollte.

Frau Neumann, können Sie sich noch an Ihr erstes Glas Champagner erinnern?

Nicola Neumann: Ja, dazu gibt es sogar einen Tagebuch-Eintrag, da muss ich so 15 oder 16 gewesen sein: „Habe Champagner bekommen, schmeckt bescheuert.“ (lacht). Das war in einem All-Inclusive-Hotel, und da bekommt man nicht gerade hochwertige Getränke. Leider trinken viele Leute ihr erstes Glas von eher minderer Qualität und haken das Thema gleich grundsätzlich ab.

Wie haben Sie dann die Liebe zum Champagner entdeckt?
Neumann: Eigentlich kam die Leidenschaft zuerst weniger über den Geschmack als über das Gefühl. Nach meinem Jazz-Gesangstudium habe ich zehn Jahre in der IT-Branche im Vertrieb und Marketing gearbeitet und wollte dann nicht mehr nur am PC sitzen. Ich sehnte mich danach, wieder etwas sinnlich Kreatives zu machen, ähnlich wie die Musik. Nach Begegnungen mit Winzern habe ich in einem „Garagen-Weinhandel“ angeheuert, der einige der besten Burgunder und Winzerchampagner Münchens im Angebot hatte.

Was hat Sie dort besonders inspiriert?
Neumann: Ich habe Verkostungen organisiert, und die Champagner-Verkostungen waren unfassbar ausgelassen. Die Leute waren nicht so ernst wie bei manchen Weinverkostungen. Champagner ist einfach ein tolles Thema, um Menschen glücklich zu machen, Leute zusammenzubringen und den Moment zu zelebrieren.

Ein erstes Projekt waren die sogenannten „Weininseln“, mit denen Sie 2014 auch in Ihrer Geburtsstadt Nürnberg zu Gast waren. Was hat es damit auf sich gehabt?
Neumann: Durch das Projekt wollte ich die Menschen auf kleine, inhabergeführte Weinhandlungen aufmerksam machen und die Weinkultur fördern. Man konnte an einem Tag die Weinhandlungen besuchen und dort verschiedene Weine kosten. Es war ein echtes Herzensprojekt, mit dem man aber leider kein Geld verdienen konnte.

Zeitgleich zu den „Weininseln“, die auch in München stattfanden, haben Sie 2014 „Champagne Characters“, einen Handel für Winzerchampagner, gegründet.
Neumann: Richtig. Als der Laden, in dem ich angestellt war, verkauft wurde, war der Zeitpunkt gekommen, meine IT-Kenntnisse und Leidenschaft zusammenzubringen. Ich hatte mittlerweile verstanden, dass ich richtig gut Projekte voranbringen kann, für die ich brenne, und dass der kreative Background zusätzlich etwas ganz Besonderes hinzufügt – quasi die perfekte Assemblage.

Warum nur Champagner und kein Wein? Haben Sie sich dadurch nicht sehr eingeschränkt?
Neumann: Im Gegenteil, gerade die Spezialisierung macht Sinn. Wenn du dich auf ein Thema konzentrierst und fokussierst, dann wirst du schnell in einer etablierten Branche auch als Newcomer wahrgenommen.

Wie ging es los mit „Champagne Characters“?
Neumann: Es begann im eigenen Wohnzimmer und einer Garage mit einer Gründerförderung, 5.000 Euro Startkapital und einem Transporter, mit dem ich den Champagner selbst geholt habe. Dann habe ich schnell einen Newsletter verfasst und an alle geschickt, die ich über den Weinhandel kannte. Die Idee schlug sofort ein, nach dem zweiten Newsletter konnte ich schon ganze Paletten abholen. Pop-up-Events spielten anfangs auch eine wichtige Rolle.

Und heute, knapp zehn Jahre später?
Neumann: Heute sind wir ein Team aus elf Leuten. Neben dem Online-Shop gibt es seit 2015 ein Ladengeschäft in München und seit 2021 auch eines in Wien.

Warum gibt es keinen „Champagne Characters“-Store in Nürnberg?
Neumann: Wir beliefern zwar Restaurants und Bars in Nürnberg, zum Beispiel die Vintage Bar oder das Etz. Aber ich würde mich aktuell nicht trauen, noch einen dritten Laden zu eröffnen, denn ein Standort verursacht hohe Fixkosten wie Miete, Mitarbeiter und Ware vor Ort. Das reicht gerade mit München und Wien.


Zur Person Nicola Neumann

Nicola Neumann ist seit 2014 Inhaberin von „Champagne Characters“, einer Boutique für hochwertige Winzerchampagner mit Standorten in München und Wien sowie einem etablierten Online-Shop.
1977 geboren, studierte sie zunächst Jazzgesang an der Hochschule für Musik in Köln. Ihre Leidenschaft für Champagner und handwerklich arbeitende Winzer führte sie später in die Weinwelt – mit besonderem Fokus auf unabhängige Erzeuger. Schon vor der Gründung von „Champagne Characters“ setzte sie sich mit der Initiative „Weininseln“ für die Sichtbarkeit inhabergeführter Weinfachhandlungen und die Förderung lebendiger Weinkultur ein. Die Schaffung physischer Orte – etwa Ladengeschäfte, die Begegnungen unter Gleichgesinnten ermöglichen – ist ihr bis heute ein zentrales Anliegen.


Sie haben sowohl den Online-Shop als auch „echte“ Ladengeschäfte. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile?
Neumann: Der Online-Shop ist seit der ersten Stunde unser größtes Standbein und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Winzerchampagner so weit verbreitet hat. Allerdings bedeutet er auch viel Arbeit am PC, was frustrierend sein kann, da ich ja eigentlich weniger am Computer sitzen wollte. Er muss ständig technisch nachgerüstet werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt.

Und was ist der Vorteil der Läden?
Neumann: Die Läden sind zwar nicht so profitabel wie der Online-Shop, aber sie machen mich glücklich, weil ich dort eine Eins-zu-eins-Beziehung zum Kunden habe und sehe, wie das, was wir anbieten, die Kunden glücklich macht. Die persönlichen Kontakte sowohl zu Kunden als auch zu den Winzern machen unsere Arbeit einzigartig.

Wie viele Winzer sind das inzwischen, mit denen Sie zusammenarbeiten, und wie finden Sie sie?
Neumann: Wir haben rund 70 Winzer und etwa 800 verschiedene Sorten im Angebot. Ich finde meine Winzer über die internationale Community der Winzerchampagner-Szene und oft auch über die Grower-Champagne-Messe in Reims im April („Le Printemps des Champagnes“). Entscheidend ist, wie viel Sorgfalt und Mühe hinter dem Produkt stecken, wie konsequent die Philosophie der Winzer ist und wie klar sich dies in den Produkten wiederfindet.

Die Branche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Trotzdem haben Sie einen weiteren Laden in Wien eröffnet …
Neumann: Der Boom durch Corona war unfassbar, da hat sich alles verdoppelt. Ich war geflasht, was da alles geht. Die Expansion nach Wien hat sich angeboten, weil es dort keinen echten Spezialisten gab und wir schon viele Kunden hatten. Dort gibt es auch viele Restaurants.

Mal ganz praktisch: Wie lange kann man Champagner aufheben – stehend oder liegend?
Neumann: Ob liegend oder stehend ist nur relevant, wenn man Champagner zehn Jahre oder länger aufheben möchte, damit der Korken nicht austrocknet. Ansonsten macht man sich da manchmal zu viele Gedanken. Ich bin ein Fan davon, lieber kleine Mengen vorrätig zu haben und immer wieder nachzukaufen, um etwas Neues zu entdecken. Das Geniale beim Champagner ist ja, dass die Winzer ihn bereits jahrelang reifen lassen.

Und wenn man den Champagner länger reifen lässt, wie verändert er sich dann im Geschmack?
Neumann: Eine größere Geschmacksveränderung setzt frühestens nach fünf Jahren ein, wenn er gut gelagert ist – also dunkel und mit geringen Temperaturschwankungen. Der Geschmack wird dann intensiver, mit kräftigeren, würzigeren Aromen. Weil das aber nicht jeder mag, sollte man das zuerst ausprobieren, bevor man sich etwas länger zurücklegt. Viele bevorzugen ja auch die jugendliche, frische Dynamik eines Champagners.
Bringt der Winzer den Champagner zu schnell auf den Markt, kann er wiederum verschlossen wirken, weil sich das Aroma noch nicht ideal entfalten konnte. Ein Jahr nach dem Degorgier-Datum fängt er richtig gut an zu schmecken. Dann kommt eine Phase von drei Jahren, in der er seine tolle Frische bewahrt, danach beginnt die reifere Phase.

Manchmal reicht ein Glas: Muss ich gleich die ganze Flasche trinken?
Neumann: Eine angebrochene Flasche hält sich mit einem ganz normalen Verschluss mit Gummilippe im Kühlschrank. Die Perlage geht zwar zu einem gewissen Grad verloren, aber wenn nicht mehr als die halbe Flasche getrunken wurde, bleibt sie auch eine Woche lang gut.

Ist Winzerchampagner nur etwas für reiche Leute?
Neumann: Nein. Superreiche wollen oft Markenchampagner, das ist die Domäne der großen Häuser. Unsere Klientel sind eher Normalverdiener, die gute Qualität schätzen, sich über tolles Handwerk freuen, viel selbst kochen und den Champagner dann dazu oder mit Freunden teilen.

Wie viel Geld muss ich für eine gute Flasche ausgeben?
Neumann: Mittlerweile geht es ab 35 Euro los.

Welches Glas empfehlen Sie für den perfekten Genuss?
Neumann: Auf keinen Fall Flöten. Die schönen Brioche-Aromen, die durch lange Flaschenreife entstehen, kommen darin schlecht zur Geltung und können sich nicht entfalten. Man kann jedes Weinglas nehmen, sollte aber bei großen Gläsern nicht zu viel einschenken. Einfach mal ausprobieren, aus welchem Glas es einem am besten schmeckt.

Manche Weinkenner sagen, dass Champagner zu jedem Essen passt – statt Wein. Sehen Sie das auch so?
Neumann: Viele finden etwas Frisches wie Champagner angenehmer als einen schweren Rotwein. Ich verzichte im Restaurant oft auf den Aperitif und bestelle gleich eine Flasche Champagner, die ich dann zum gesamten Menü trinke.

Crémant und Franciacorta sind sehr angesagt, der gute alte Prosecco hat etwas ausgedient. Welche Rolle spielt der deutsche Sekt?
Neumann: Es gibt eine schöne Bewegung hin zur Qualität; es ist toll, dass sich andere Länder begeistern und Mühe geben. Champagner hat in der Breite trotzdem die Nase vorn, weil man sich dort seit Jahrhunderten damit beschäftigt. Deutscher Winzersekt hat ebenfalls großes Potenzial, da kühle Regionen edlere Schaumweine hervorbringen.

Interview: Katja Jäkel

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