Korrekter Umgang mit Steuern und Sozialabgaben in Krisenzeiten
Unternehmen haben in der Krise oft Schwierigkeiten, fällige Steuer und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Die Geschäftsführer geraten so ins Visier: sie haften dafür meist persönlich, teils strafrechtlich. Der Geschäftsführer muss in der Krise die Belange der Gesellschaft genau beobachten – er kann sie nicht delegieren. Auch eine Verteilung der Aufgaben unter mehreren Geschäftsführern hilft nur unter engen Voraussetzungen.
Autor: Marcus Puttke (Kanzlei Knöchel, Burkhardt, Puttke & Kollegen GbR)
Es besteht ein Dilemma: Leisten Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch Zahlungen, haften sie grundsätzlich selbst gegenüber der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter. Das selbst dann, wenn es sich bei diesen Zahlungen um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge handelt. Es besteht eine Pflichtenkollision. Das Haftungssystem wurde jetzt besser austariert. Bei Steuerzahlungen hat der Gesetzgeber seit 1.1.2021 reagiert und die Zwickmühle in der Karenz von drei Wochen ab Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen ab Überschuldung entschärft. In dieser Zeit haftet der Geschäftsführer nicht, wenn er steuerliche Zahlungspflichten verletzt, sonst aber seiner gesetzlichen Pflicht nachkommt, zu versuchen, die Krise innerhalb der Frist zu bereinigen.
Für die Sozialversicherung gilt das aber nicht. Man meint, dass der Gesetzgeber das identische Problem schlicht übersehen habe und daher dieses Thema so gehandhabt werden müsse wie bei Steuern auch. Klingt richtig, ist aber nicht gesichert.
Stellt der Geschäftsführer nach Ablauf der Karenz keinen Insolvenzantrag, obwohl er verpflichtet gewesen wäre, dann lebt die Kollision grundsätzlich wieder auf. Das will der Gesetzgeber bewusst so, da es die Geschäftsleitung in der Hand hatte, richtig zu handeln.
Gemäß Urteil des BGH vom 18.11.2020 kann sich der Geschäftsführer im Falle eines solchen Pflichtenverstoßes in der Regel an seine Versicherung (D&O) halten.
Lohnsteuer
Der Geschäftsführer darf den Fiskus nicht gegenüber anderen Gläubigern benachteiligen. Die Lohnsteuer verwaltet er aber rechtlich gesehen nur treuhänderisch als fremdes Geld. Deswegen ist er verpflichtet, diese grundsätzlich vor anderen Steuern an das Finanzamt abzuführen.
Reichen bei Unternehmen in der Krise die Mittel nicht aus, um die Löhne einschließlich des Steueranteils auszuzahlen, dürfen die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag ausgezahlt werden. Aus den dann übrigen Mitteln muss die Lohnsteuer, die auf den gekürzten Auszahlungsbetrag entfällt, pünktlich an das Finanzamt abgeführt werden. Der Geschäftsführer muss berechnen, wie weit er die Löhne kürzen muss, damit von den verbleibenden liquiden Mitteln die zu ermittelnde Lohnsteuer bezahlt werden kann. Es empfiehlt sich, das mit der Belegschaft abzustimmen.
Umsatzsteuer
Der Geschäftsführer muss Voranmeldungen abgeben und Umsatzsteuer abführen. Anders als bei Lohnsteuer gibt es bei Umsatzsteuer keinen Vorrang vor anderen Steuern. Wenn die Mittel nicht genügen, um alle Verbindlichkeiten zu bezahlen, muss er alle Gläubiger – einschließlich des Fiskus – anteilig gleich befriedigen. In der Praxis geschieht es oft, dass der Geschäftsführer nicht alle Verbindlichkeiten (inklusive der Umsatzsteuer) gleichmäßig bedient. Er haftet dann nicht voll, sondern vielmehr nach dem Unterschiedsbetrag zur durchschnittlichen Tilgungsquote aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
Bei vorrangigen Steuern gilt das nicht. Bezahlt der Geschäftsführer wegen des Vorrangs die Lohnsteuer in vollem Umfang, hat dann aber nicht genug Mittel mehr zur Verfügung, um die Umsatzsteuer zu tilgen, dann haftet der Geschäftsführer grundsätzlich nicht wegen der Nichtzahlung der Umsatzsteuer.
Sozialversicherung
Auch nach der Neuregelung bleiben Sozialversicherungsbeiträge in der Krise für Geschäftsführer haftungsträchtig. Nichtzahlung kann nicht nur einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer, sondern auch eine Straftat bedeuten. Man unterscheidet zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen: Strafrechtlich relevant und vorrangig zu zahlen ist nur der Arbeitnehmeranteil.
Die Pflicht, die Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen, entsteht allein, weil der Arbeitnehmer gegen Entgelt versicherungspflichtig beschäftigt wird. Die Höhe des Beitrags richtet sich nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber gemäß Vertrag schuldet und nicht nach dem tatsächlich bezahlten Betrag. Die Sozialversicherungsbeiträge werden zu den gesetzlichen Terminen fällig. Die Termine, an denen die Löhne bezahlt werden, sind nicht maßgeblich.
Eine Haftung kommt nur in Frage, wenn die Gesellschaft bei Fälligkeit fähig war, die Beiträge zu zahlen, und der Geschäftsführer dies unterlassen hat. Der Arbeitnehmeranteil der Beiträge hat gegenüber den Verbindlichkeiten anderer einen Tilgungsvorrang in voller Höhe. Wenn die Liquidität beschränkt ist, muss der Geschäftsführer also stets die Zahlung dieser Beiträge sicherstellen. Notfalls muss er Rücklagen bilden, Nettolohnzahlungen kürzen oder Forderungen anderer einschränken. Kommt es nur deshalb zur Zahlungsunfähigkeit, weil der Geschäftsführer zunächst andere Gläubiger befriedigt hat, haftet er. In der Karenzzeit des § 15a InsO mag das anders zu beurteilen sein, wenn Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht geahndet werden soll, weil der neue § 15b Abs. 8 InsO, der nur von Steuern spricht, entsprechend anzuwenden ist. Das muss aber die Rechtsprechung für das neue Gesetz klären.
Abläufe im Betrieb müssen also so organisiert werden, dass die Zahlung der vollen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sichergestellt ist. Gegenüber der Sozialversicherung sollte man durch Tilgungsbestimmungen dafür Sorge tragen, dass mit den dorthin erfolgten Zahlungen zuerst diese Anteile beglichen werden, sofern weitere offene Posten bestehen. Sonst verrechnet die Einzugsstelle die Zahlung nämlich zuerst auf Auslagen, Gebühren usw. und erst danach auf die eigentlichen Sozialversicherungsbeiträge, für die dann aber die Zahlung u. U. nicht mehr reicht. Für den Geschäftsführer könnte das Strafbarkeit zur Folge haben.