Robin Smiciklas’ ehrliche Bilanz
NÜRNBERG – Es gibt Karrieren, die sich an einer klaren Zäsur festmachen lassen. Bei Robin Smiciklas ist es die Qualifying School für die DP World Tour.
„Das war mein Do-or-Die-Moment“, sagt der 33-Jährige über seinen vorletzten Auftritt auf der Pro Golf Tour vor wenigen Wochen. Drei Jahre lang hat er seinen Traum als Tourspieler verfolgt – konsequent, geplant, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Nun zieht er den Strich. Genauer gesagt: den Schlussstrich.
Nicht verbittert, sondern reflektiert. Nicht laut, sondern präzise.
Als Smiciklas vor drei Jahren vom „Ich probiere das jetzt“ zum ausgeklügelten Drei-Jahres-Plan überging, definierte er ein Mindestziel: die volle Saison auf der Challenge Tour, die direkte Vorstufe zur DP World Tour. Der Weg dorthin führt für viele über die Qualifying School. Für ihn sollte sie zum Prüfstein werden:
„Entweder ich komme durch – oder ich beende diesen Abschnitt.“
Dass es am Ende nicht reichte, war hart. Dass er diese unliebsame Konsequenz trägt, war von Anfang an Teil des Plans.
Den Abschluss markiert im Oktober die Castanea Resort Championship – sein letztes offizielles Turnier als Tourspieler.
„Ganz ohne Druck werde ich nicht spielen – Turnier ist Turnier. Aber ich will die drei Tage bewusst genießen und den Abschnitt für mich selbst schließen.“
Kein öffentlich inszeniertes Finale, kein großes Gefolge. Der Weg, den er gegangen ist, war persönlich – der Abschluss soll es auch sein.
„Es war eine Reise, die ich für mich selbst gemacht habe“, fasst er das Kapitel in seinem Leben zusammen.
SELBSTORGANISATION, DISZIPLIN UND STRUKTUREN
Was bleibt nach drei Jahren? Smiciklas antwortet ohne Pathos:
„Ich bin menschlich und golferisch gewachsen.“
Er spricht über Selbstorganisation, Disziplin, die Fähigkeit, den Alltag zu strukturieren – und darüber, eine Sportlerkarriere im Wesentlichen selbst auf die Beine gestellt zu haben. Vor allem aber über das, was im Golf zur Grundfigur wird und im Leben selten falsch liegt:
„Im Moment bleiben. Der wichtigste Schlag ist immer der nächste.“
Sportlich gab es diese Momente, in denen die Tür zu seinem großen Ziel einen Spalt weit offen stand: Im ersten Jahr, nach fünf verpassten Cuts, spielte er sich bei einem Turnier auf den letzten Löchern mit Birdie–Birdie nach ganz vorn, war geteilter Erster – bis ein Spieler aus dem letzten Flight ebenfalls Birdie–Birdie notierte und den Playoff-Traum zunichtemachte.
Im zweiten Jahr folgte noch einmal ein zweiter Platz. Und in der Q-School erreichte er die Second Stage – in einer Phase, die er als seine „beste golferische und mentale Verfassung“ beschreibt. Das „Quäntchen Glück“, von dem Profis gern sprechen, fehlte öfter, als es kam.
„So ist das im Sport: Du kannst eine 65 spielen – wenn jemand 64 schießt, kannst du nichts dafür.“
KOSTEN, SPONSOREN, REALITÄT
Die nüchterne Seite des Profialltags blendet Smiciklas nie aus. Er rechnet vor: Lebenshaltung, Miete, Versicherung, Reisen, Startgelder, Unterkunft, Trainer, Physio –
„Unter 45.000 bis 50.000 Euro im Jahr musst du auf jeden Cent schauen.“
In einer Saison, in der eine Turnierwoche vierstellig zu Buche schlägt, addiert sich das schneller, als einem lieb ist. Zwei Jahre bekam er die Finanzierung durch regionale Sponsoren solide gestellt, im dritten musste er Erspartes zuschießen. Der Weg dahin? Ein Exposé, viele Sponsorengespräche.
„Von zehn Anfragen antworten vielleicht vier, drei sagen ab. Du brauchst einen langen Atem – und musst immer professionell bleiben.“
Auch den psychologischen Teil dieser Rechnung hat er gelernt:
„Im ersten Jahr dachte ich, ich müsse für die Sponsoren liefern. Später habe ich verstanden: Ich schulde ihnen, was vereinbart ist – Logos, Präsenz, Events. Den Sport mache ich für mich.“
Ende 2022 begann er zudem ein Fernstudium als Sport-Mentaltrainer.
„Das hat mir geholfen, mich auch mental von diesem Druck zu lösen.“
TOURETTE – OFFEN, HUMORVOLL, KONTROLLIERT
Besonders ist seine Geschichte auch, weil Smiciklas offen mit seinem Tourette-Syndrom umgeht. Früh suchte er die Öffentlichkeit, schrieb über seine Tics, differenzierte das gängige Bild vom Tourette, das in der Wahrnehmung oft auf Schimpfwörter schrumpft.
„Es sind häufig motorische Tics, Muskelzuckungen, die man kaschieren kann“, sagt er.
Auf der Tour erlebte er überwiegend Verständnis und echtes Interesse, nur einmal wirkliche Taktlosigkeit. Gleich bei seinem allerersten Turnier fragte ihn der Vater eines Mitspielers, ob es nicht eigene Profiturniere für „Behinderte“ gebe oder ob er bei den Paralympics antreten dürfe.
„Das war nicht die sensibelste Frage während einer Runde“, erinnert er sich. Doch weil er von Beginn an offen über sein Tourette gesprochen hatte, blieb es bei dieser Ausnahme – sonst erfuhr er fast ausschließlich Interesse und Respekt.
Das Spiel selbst?
„Beim Schlag kann ich es kontrollieren. Es ist eher zwischen den Schlägen anstrengend – über fünf Stunden summiert sich das und kostet Energie.“
Er macht Witze darüber, wenn es passt – nicht zur Verharmlosung, sondern als öffentliches Zeichen für seinen souveränen Umgang. Als Ausrede taugt es ihm nie:
„Es kann ein Grund sein, dass ein paar Prozent Konzentration fehlen. Aber es ist eher eine zusätzliche Hürde, die man kennt, als eine Ausrede.“
„ICH WAR EINFACH ZU WEIT WEG“
Zu seinem engsten Kreis zählt ein Mentor aus dem Unternehmerumfeld, der längst ein echter Freund geworden ist, sowie sein langjähriger Trainer Steve Hampton. Smiciklas ist jetzt 33, heiratet im kommenden Jahr. Es gibt Momente im Leben, in denen man sich entscheiden muss, welchen Weg man weitergehen will.
„Wenn ich sportlich ganz knapp dran gewesen wäre, hätte ich vielleicht ein Jahr drangehängt. Aber ehrlich betrachtet war ich im Ranking einfach weit weg von den Aufstiegsplätzen.“
UND JETZT?
Zuerst der bewusste Abschluss: das letzte Turnier. Danach der Blick nach vorn – ohne verkrampfte Eile, aber mit klaren Optionen. Smiciklas kann sich eine Aufgabe im klassischen Golfumfeld vorstellen, etwa als Trainer. Ebenso einen Schritt in die freie Wirtschaft: Sportmarketing, Athletenbetreuung. Parallel will er sein Standbein als Sport-Mentaltrainer aufbauen und als Keynote-Speaker auftreten – mit Themen, die er verkörpert: Karrierewechsel mit 30, offener Umgang mit Tourette, mentale Stärke, die mehr ist als eine Floskel.
Wofür er dem Golf dankbar ist? Für das, was in keiner Ergebnisliste steht:
„Länder, die ich sonst nie gesehen hätte. Menschen, die Freunde wurden.“
Seinen künftigen Trauzeugen Bosse Lenssen lernte er auf der Tour kennen. Vor allem aber für die Reife, die der Sport erzwingt:
„Golf prägt den Charakter wie kaum ein anderer Sport. Daran wächst man – oder man zerbricht. Ich bin gewachsen.“
95 PROZENT REICHEN NICHT
Warum es letztlich nicht gereicht hat?
„Ich denke, es ist eine Mischung aus mehreren Faktoren: nicht ganz aus dem Vollen schöpfen können, mental in den entscheidenden Momenten nicht den Killerinstinkt gehabt.“
Vielleicht hat auch mal das Quäntchen Glück gefehlt.
„Klar zu definieren, woran es lag, bleibt für mich unmöglich. Gefühlt war ich bei 90 bis 95 Prozent meines Leistungsvermögens – und immer haben irgendwo ein paar Prozent gefehlt.“
Am Ende bleibt eine klare, ruhige Bilanz: Ein Traum wurde konsequent gelebt. Das Ziel wurde verfehlt. Und doch ist die Geschichte von Robin Smiciklas kein Scheitern im landläufigen Sinn. Sie ist die Geschichte eines Athleten, der sich einen ehrlichen Plan gab, ihn durchzog – und im entscheidenden Moment die Größe hatte, das Ergebnis anzunehmen. Im Hier und Jetzt. Wo der nächste Schlag immer der wichtigste ist.
Stefan Jablonka

